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Autor/UrheberBamberg, Stefan
TitelHolocaust und Lebenslauf : Autobiografisch-narrative Interviews mit Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt.
Quelle(2006)
PDF als Volltext kostenfreie Datei
Sprachedeutsch
Dokumenttyponline; Monographie
DOI10.11588/heidok.00007789
Schlagwörter370; 370 Education
AbstractIn der vorliegenden Arbeit werden anhand von autobiografisch-narrativen Interviews mit Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt die individuellen Erfahrungen und Deutungen der Überlebenden in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses gestellt. Anhand von zwei ausführlich analysierten Erzählungen wird der Erhebungs- und Analyseprozess der Interviews nach dem Verfahren von Fritz Schütze, das der abduktiven Forschungslogik verpflichtet ist, in seinen einzelnen Arbeitschritten nachvollziehbar dargestellt. Die Erzählung im autobiografisch-narrativen Interview kann auf diese Weise als ein Medium verstanden werden, in dem sich das Subjekt in seiner geschichtlichen Existenz konstituiert und damit auf dessen identitätsstiftenden Charakter verweist. Erfahrungswissenschaftlich wird die Verknüpfung persönlicher und sozialer Identität unter Berücksichtigung der identitätskritischen Lebenslage, der die Überlebenden während der Zeit ihrer Verfolgung ausgesetzt waren, fokussiert. Identität wird dabei im Sinne der Sozialisationstheorie des Symbolischen Interaktionismus verstanden. Der analytische Teil untersucht die prozessualen Dynamiken, in welchen die Biografieträger Identität und subjektiven Sinn herstellen, hinsichtlich ihrer kognitiven, emotionalen und motivationalen Aspekte. Dabei wird die Ambiguität und die Ungradlinigkeit der jeweiligen Lebensgeschichte deutlich. Die Auseinandersetzung mit Biografien fördert psychische Wirklichkeiten zu Tage und verweist auf die Konfrontation mit der eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrung. Dabei gilt es, das Individuum mit seinen eigenen Deutungen und Begriffen, Bedürfnissen und Darstellungsabsichten zu erfassen. Schützes Konzept der Prozessstrukturen des Lebenslaufs, der Annahme einer sequentiellen Struktur der Lebensgeschichten und der biografisch relevanten Ereignisverkettungen verweist auf die ausschließlich im Kontext der Lebensgeschichte zu rekonstruierenden Deutungsmuster und Interpretationen des Biografieträgers. Forschungsstrategisch ist es erforderlich, die Auswertung aufgrund von Primärmaterialien zu vollziehen, die, so Schütze, so lange sie wiederholbare Untersuchungswege beschreiten und nachprüfbare Ergebnisse hervorrufen, keineswegs nur explorativen Charakter aufweisen. In den Erzählungen verleihen Emotionen des Autobiografen seiner Erinnerung Bedeutung, d.h. die Furcht und Hoffnung im Kontext der individuellen Erleidensprozesse sind eingebettet in das Verhältnis von erzählter und erlebter Lebensgeschichte. Daneben stehen es die verschiedenen Bewältigungsstrategien, mit welchen die Biografieträger versuchen, ihre Leidenserfahrungen in das aktuelle Leben zu integrieren, im Interesse der biografischen Analyse. Für die erziehungswissenschaftliche Biografieforschung ergeben sich aus den autobiografisch-narrativen Interviews mit Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt spezielle prozess- und biografienanalytische Erkenntnisse. Die Erzählungen ermöglichen einen Einblick in die individuellen und kollektiven Lern- und Bildungsprozesse der jeweiligen Biografieträger. Biografische Bruchstellen werden innerhalb dieser Erzählungen sichtbar. So stellt sich bei vielen Überlebenden die Frage, welcher Erfahrungshintergrund es ihnen erschwert oder verhindert, dass sie ihre Lebensgeschichte erzählerisch nicht entfalten können oder diese auch in unterschiedlichen Kontexten nur im Referenzrahmen des Holocausts erzählen können. Mit den autobiografisch-narrativen Interview ist ein umfangreicher Zugang zum Leben der Erzählenden unter Berücksichtigung der Eigenperspektive und der historischen Dimension möglich. Es hat sich herausgestellt, dass die unterschiedlichen Interaktionsräume der interviewten Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt differierende Erinnerungsmuster hervorbringen, die sich zwischen Reversion und Marginalisierung von Erinnerungen bewegen. Die soziale Rahmung vor und nach der Befreiung entscheidet wesentlich über den jeweiligen Schweigensgrad der als traumatisch erfahrenen Verfolgungszeit. Während der Zeit der Verfolgung und Internierung wurde Rollendistanz erschwert, d.h. eine Distanzierung hinsichtlich der Normen und Repressionen sowie der im Sozialisationsprozess erworbenen Fähigkeiten zur Ausgestaltung bestehender Rollennormen wurde behindert. Daraus lässt sich folgern, dass Biografiekrisen auch immer Interaktionskrisen sind. Dabei hängt der Grad des traumatischen resp. posttraumatischen Erleidens des Einzelnen im wesentlichen von der aktuellen Interaktion ab. Biografische Wandlungserfahrungen verweisen auf einen veränderten Rahmen hinsichtlich der Verarbeitung der durch den Holocaust bedingten identitätskritischen Erfahrungen. Andere soziale Rahmungen ermöglichen bisher unausgeschöpftes Wandlungspotenzial zu nutzen. Umgekehrt hindern Rahmungen der Repressivität die Nutzung positiven Wandlungspotenzials. Ein markantes Charakteristikum aller Interviews war, dass die befragten Biografieträger die Verfolgszeit kollektiv und ihr Leben vor und nach der Verfolgung individuell erinnern.
Anmerkungendoi:10.11588/heidok.00007789; urn:nbn:de:bsz:16-opus-77899; Bamberg, Stefan (2006) Holocaust und Lebenslauf : Autobiografisch-narrative Interviews mit Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt. [Dissertation]
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